Rezept: Neu entdeckt Alte Kartoffelsorten

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Zutaten für Rezept Neu entdeckt Alte Kartoffelsorten:



Es gibt Dutzende verschiedene Kartoffelsorten:gelbe, blaue und rote,

runde, längliche, ovale und krumm gebogene. Doch im Handel sind nur

solche Sorten vertreten, die besonders ertragreich und

widerstandsfähig sind. Viel zu wenig, meinen die Mitglieder des

Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) in

Ostwestfalen. Sie pflanzen wohlschmeckende, in Vergessenheit

geratene Kartoffelsorten wieder an, bewegen sich jedoch damit am

Rande der Legalität.



Retter alter Sorten

Unsere Grossmuetter kannten sie noch: die "Linzer Blaue", den "Rosa

Tannenzapfen", oder die "Odenwälder Blaue". Es handelt sich dabei

um alte Kartoffelsorten, die nicht mehr im Handel erhältlich sind.

Sie wären vielleicht längst ausgestorben, gäbe es nicht eifrige

Hobbygärtner und Oekobauern, die mit dem Anbau der alten Sorten

vermeiden, dass das wertvolle Genmaterial des regionalen Kulturgutes

fuer immer von den Feldern verschwindet.

Heidi Lorey aus dem ostwestfälischen Steinhagen baut auf ihrem

Privatacker 30 seltene Kartoffelsorten an. Jedes Jahr im September

wird gerodet. Mit einer Hacke gräbt sie in muehseliger Arbeit ihren

Privatacker um. Rote, blaue, fingerförmige, schmal-längliche

Kartoffeln kommen dabei zum Vorschein. Heidi Lorey hat die Sorten

von der so genannten "Genbank" zurueck auf den Acker geholt. In

dieser wissenschaftlichen Sammlung findet man das Saatgut alter

Sorten, die vor dem Aussterben gerettet werden konnten. Aber die

begeisterte Kartoffelfreundin sieht nicht ein, warum eine

Nutzpflanze wie die Kartoffel in der Vitrine steht. Als Mitglied des

Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) verteilt sie

das seltene Saatgut auch an andere Hobbygärtner.



Gesetz gegen Artenvielfalt

Mit ihrer Arbeit verstösst Heidi Lorey streng genommen gegen das

Saatgutverkehrsgesetz. Das Bundessortenamt in Hannover wacht ueber

dessen Einhaltung. Danach darf nur Saatgut von amtlich zugelassenen

Sorten in Verkehr gebracht werden. Dazu gehören nur solche

Kartoffeln, die ertragreich und virenresistent sind und den

gängigen Industrie- und Handelsnormen entsprechen. Heidi Loreys

Sorten gehören nicht mehr dazu. Sie wurden von den offiziellen

Listen gestrichen. Die grossen Zuchtfirmen versprachen sich von

ihnen keinen Ertrag mehr. Ihr Saatgut (Pflanzkartoffeln) wurde daher

an die Genbank Gross-Luesewitz bei Rostock weitergeleitet und darf

nicht mehr in Verkehr gebracht werden - weder gegen Geld noch

gratis. Wer gegen das Gesetz verstösst, begeht eine

Ordnungswidrigkeit und muss mit einer Geldstrafe in vier- bis

fuenfstelliger Höhe rechnen.

Das Saatgutverkehrsgesetz macht eine Ausnahme fuer die Weitergabe zu

Zuechtungs-, Forschungs- oder Ausstellungszwecken. Letztlich lässt

sich auch die Weitergabe zur Erhaltung der Art als einer dieser

Zwecke auslegen. Da es sich beim Anbau von Heidi Lorey und ihrem

Verein nur um kleine Mengen handelt, drueckt das Bundessortenamt

ausnahmsweise ein Auge zu.



Kartoffeln fuer "Ausstellungszwecke"

Bei Oeko-Landwirt Karsten Ellenberg aus der Lueneburger Heide geht

es schon um grössere Mengen. Auf seinen Feldern baut er immerhin 80

nicht mehr zugelassene Kartoffelsorten an. Fuer die Ernte setzt er

inzwischen sogar einen Maschinenroder ein. Der Jungbauer darf die

Speisekartoffeln nur im Hofladen direkt an Endverbraucher verkaufen.

Nach dem Motto "die cleversten Bauern haben die buntesten

Kartoffeln" läuft der Absatz seiner Exoten gut. Zwei

Versandhändler verschicken sie inzwischen sogar an interessierte

Verbraucher. Fuer sieben Knollen verschiedener Sorten muss man den

stolzen Preis von 14,90 Mark zahlen. Es versteht sich von selbst,

dass diese Sorten offiziell zu "Ausstellungszwecken" weitergegeben

werden. Denn auch Karsten Ellenberg befindet sich in einer

gesetzlichen Grauzone. Sein Saatgut darf er nicht weitergeben, die

Speisekartoffeln nur genau deklariert in seinem Hofladen, damit der

Verbraucher die Quelle zuordnen kann. Genaue Klarheit darueber, was

ein Bauer wie Karsten Ellenberg darf und was nicht, scheint es

derzeit nicht zu geben.



EU-Gesetz soll Klarheit schaffen

Auf EU-Ebene soll ein neues Gesetz dafuer sorgen, dass eine

Wiederzulassung alter Sorten erleichtert wird. Doch bis zur

Umsetzung werden wohl noch Jahre vergehen. Fuer manche Sorte kann

eine längere Wartezeit allerdings das endgueltige Aus bedeuten.

Zurzeit herrscht diesbezueglich EU-weit ein grosses Durcheinander:

Viele in Deutschland von den Listen gestrichene Sorten befinden sich

in Grossbritannien, Dänemark oder Frankreich durchaus noch im

offiziellen Handel. Diese duerfen dann wiederum auch als Saatgut in

Deutschland gehandelt werden.



Kartoffeln fuer Gourmets

Chefkoch Ernst Hueser vom "Historischen Gasthaus Buschkamp" in

Bielefeld-Sennestadt verwöhnt seine Gäste gern mit alten

Kartoffelsorten, die er zurzeit noch vor allem aus Frankreich

bezieht. Gern wuerde er auch mit regionalen, nicht mehr zugelassenen

heimischen Sorten kochen, was allerdings bislang leider nicht

möglich ist. Fuer ServiceZeit KostProbe hat er zwei Rezepte mit

Sorten von Heidi Lorey ausprobiert:



Bunter Kartoffelsalat

Quetschkartoffel mit Wildkräutern



Kontaktadresse:



* Historisches Gasthaus Buschkamp

Geschäftsfuehrer Ernst Heiner Hueser

Buschkampstr. 75

33659 Bielefeld

Tel. (05 21) 49 28 00

Fax (05 21) 49 33 88

Internet: www.museumshof-senne.de

E-Mail: museumshof-senne@t-online.de



Sortenerhaltung:



* Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN)

Ursula Reinhard

Sandbachstr. 5

38162 Schandelah

Tel./Fax (0 53 06) 14 02

E-Mail: ven.nutz@gmx.de



* Institut fuer Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung

Gatersleben

Genbank Aussenstelle Nord

Kurator Dr. K. Schueler

Parkweg 3

18190 Gross Luesewitz

Tel./Fax (03 82 09) 8 05 25



Ein Faltblatt zum Thema Kartoffeln kann gebuehrenfrei angefordert

werden.

Kleinstmengen alter Kartoffelsorten können bestellt werden (nur das

Porto muss bezahlt werden).



Direktvermarktung:



* Biolandhof

Karsten Ellenberg

Ebstorfer Str. 1

29576 Barum

Tel. (0 58 06) 3 04

Fax (0 58 06) 12 50



http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/kp_sarchiv/2000/10/09_5.html



:Stichwort : Info

:Stichwort : Kartoffel

:Erfasser : Christina Philipp

:Erfasst am : 15.10.2000

:Letzte Aenderung: 15.10.2000

:Quelle : WDR "KostProbe", 09.10.2000;

:Quelle : Sandra Berges